Gottfried Morgenegg
Erkrankungen der Zähne können zum Teil enorme Auswirkungen auf den ganzen Körper haben. Das weiss man schon lange. In der Humanmedizin wurde tausendfach beschrieben, wie innere Organe, Gelenke, Herz u.v.m. sekundär als Folge eines Zahnproblems erkranken können. In der Veterinärmedizin kämpfen wir mit den gleichen Problemen, nur melden sich unsere Patienten nicht zu Wort. Deshalb ist es wichtig, dass man Zahnkontrollen nicht auf die lange Bank schiebt.
Ursachen
Die Ursachen für Zahnschmerzen und Sekundärerkrankungen liegen nur teilweise bei der Zahnkrone. Weitaus am häufigsten aber ist das Problem beim Zahnhalteapparat, dem Parodont. Diesen Bereich sieht man von blossem Auge nicht: Um jeden Zahn hat es eine Zahnrinne, an deren Grund das Zahnfleisch mit der Oberfläche des Zahns verwachsen ist. Dort können sich Bakterien und Nahrungsreste ansammeln und eine Entzündung bewirken. Diese Entzündung führt zur Zerstörung des Gewebes und zu einer Vertiefung der Zahnrinne. Erkennt man Parodontalerkrankungen im Anfangsstadium, ist eine Heilung möglich. Erkennt man Erkrankungen im Parodont spät oder gar zu spät, können grosse Probleme entstehen. Deshalb ist eine genaue Untersuchung der Maulhöhle so wichtig.
Untersuchung in Narkose
Eine gründliche Zahnreinigung, Untersuchung der Zähne, des Zahnhalteapparates und das Erstellen von Dental-Röntgenbildern sowie Behandlungen können nur in Narkose durchgeführt werden. Beim wachen Tier ist das nicht möglich, die Verletzungsgefahr ist zu gross und die Kooperationsbereitschaft des Patienten nicht gegeben.
Zahnreinigung
Wir machen nicht blosse Zahnreinigungen, wir verbinden das immer mit einer gründlichen Untersuchung. Als erstes werden die Zahnkronen von Belägen (Zahnstein und Plaque) befreit. Danach wird die Zahnrinne gereinigt. Diese Behandlung ist sehr unangenehm. Mit Spezialinstrumenten wird die Tasche gereinigt und gespült. Nach der Behandlung wird die aufgeraute Oberfläche der Zähne poliert.
Dental-Untersuchung
Mit einer spitzen Sonde wird untersucht, ob alle Zähne intakt sind, Teile abgebrochen oder sogar Löcher vorhanden sind. Die Untersuchung des Zahnhalteapparats erfolgt mit einer Paradontalsonde. Diese ist vorne abgerundet, damit man bei der Untersuchung das Gewebe nicht verletzt. Man untersucht bei jedem Zahn, ob vertiefte Taschen vorhanden sind. Dies würde darauf deuten, dass der Zahnhalteapparat geschädigt ist. Dabei muss man sehr vorsichtig vorgehen, weil entzündetes Gewebe schmerzhaft ist.
Dentalröntgen
Erkrankungen der Zahnwurzeln kann man nicht von blossem Auge erkennen. Deshalb fertigt man dentale Röntgenbilder an. Die Lehrmeinung besagt, dass man bei jedem Patienten, der zur Zahnuntersuchung kommt, eine vollständige Röntgenstudie machen soll. So könne man Probleme erkennen, bevor sie Schmerzen verursachen. Bei Katzen ist das sicher so. Bei Hunden machen wir hingegen die Erfahrung, dass bei Hunden unter 5-6 Jahren selten etwas entdeckt wird, bei älteren hingegen schon. Deshalb fertigen wir bei jüngeren Hunden nur eine vollständige Röntgenstudie nach Absprache an.
Narkose
Beispiele, was verpasst werden kann
Nach der Zahnreinigung schienen die Backenzähne in Ordnung zu sein. Auf dem Röntgenbild stellte sich aber heraus, dass die Krone des dritten Backenzahns frakturiert war.
Oronasale Fistel
Nach der Zahnreinigung dieses Patienten sah alles noch sehr gut aus. Bei der Untersuchung mit der Parodontalsonde wurde eine sehr tiefe Parodontaltasche auf der Innenseite des Fangzahns entdeckt. Eine Spülung mit angefärbter Spüllösung zeigte, dass der Zahn bereits in die Nasenhöhle geeitert war.
Unerwartete Paradontaltasche
Bei diesem Backenzahn splitterte ein Fragment ab. Dieses reichte bis unter den Zahnfleischrand. Dadurch wurde der Grund der Zahnrinne verletzt und eine starke Parodontitis mit Knochenschwund konnte entstehen.
Fazit
Wir raten sehr, von ambulanten Behandlungen am wachen Tier abzusehen und eine professionelle Behandlung unter Narkose durchführen zu lassen.
Weitere Informationen
American Veterinary Dental College: http://avdc.org/AFD/
European Veterinary Dental Society: http://www.evds.org/policystatements/dentvetwithoutanaesthesia
Statements zur Zahnbehandlung ohne Narkose: